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Achtung: Rechtswidrige Durchsuchungsbeschlüsse aufgrund von Steuer-CDs

Fehlt in Durchsuchungsbeschlüssen die genaue Benennung des Tatzeitraums sind der Durchsuchungsbeschluss und die Durchsuchung rechtswidrig – die Grundrechtsverletzung kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen

In den vergangenen 10 Jahren wurden von der BRD immer wieder so genannte Steuer-CDs aus dem Ausland angekauft. Diese hoch umstrittene und rechtswidrige Praxis soll den Zugriff auf mögliche Steuerhinterzieher gewährleisten, die andernfalls im Verborgenen bleiben. Die auf den jeweiligen CDs gespeicherten Daten begründen in der Regel einen strafrechtlichen Anfangsverdacht, der Voraussetzung für den Erlass eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses ist. Die Durchsuchung ist ein massiver Eingriff in die grundrechtlich geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen, Art. 13 Abs. 1 GG. Aufgrund dessen gelten für den Erlass eines Durchsuchungsbeschluss besonders strenge Spielregeln, wie das Bundesverfassungsgericht aktuell wieder unterstreichen musste.

 

Mindestanforderungen an den Durchsuchungsbeschluss

Zunächst muss für einen Durchsuchungsbeschluss zwingend ein Anfangsverdacht (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) vorliegen. Hierzu reichen keine vagen Anhaltspunkte und bloße Vermutungen aus, sondern es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass der Betroffene sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Aufgrund des Gewichts des Eingriffs einer Durchsuchung und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre enthält Art. 13 Abs. 2 GG grundsätzlich einen sog. Richtervorbehalt (Durchsuchung nur nach Anordnung eines Richters).

Der Durchsuchungsbeschluss selbst muss dabei so ausgestaltet sein, dass er den Tatvorwurf (z.B. Hinterziehung von ESt, USt und GewSt 2012 bis 2016) und die konkreten Beweismittel (z.B. Belege, Kontrollmitteilungen, Zeugenaussagen) so genau beschreibt, dass der äußere Rahmen begrenzt wird, innerhalb dessen die Durchsuchung durchzuführen ist (rechtsstaatliche Begrenzungsfunktion). Unzureichend wäre also eine Angabe im Durchsuchungsbeschluss, wonach der Verdächtige „vermutlich Steuern hinterzogen hat, wobei die Steuerart noch ungeklärt ist.“ Darüber hinaus muss der Durchsuchungsbeschluss begründet werden. In der Begründung muss dargelegt werden, warum das Verhalten eine Steuerhinterziehung darstellt (z.B. Nichtabgabe von Steuererklärungen). Neben dem Abstecken des Rahmens der Durchsuchung soll der Durchsuchungsbeschluss dem von der Durchsuchung Betroffenen ermöglichen, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten.

 

Die Rechtsprechung zieht endlich Grenzen für eine Durchsuchung

Die Rechtsprechung setzte sich mit den Kriterien für eine Durchsuchung in den letzten Jahren kaum kritisch auseinander. So wurden insbesondere die Daten, die durch den Ankauf von Steuer-CDs erlangt wurden, als zulässige Beweismittel in Strafverfahren herangezogen. Mit den Grenzen der in diesem Zusammenhang erwirkten Durchsuchungsbeschlüsse beschäftigte sich nun erstmals der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluss vom 04. April 2017 – 2 BvR 2551/12.

 

Die Entscheidung des BVerfG

Das BVerfG stellt in seinem Beschluss vom 04. April 2017 – 2 BvR 2551/12 – eine Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 13 Abs. 1 GG fest

Der Senat stellt fest, dass der Durchsuchungsbeschluss aus dem Jahre 2011 die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohn- und Geschäftsräume aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt, da der Beschluss weder ausdrücklich noch in anderer Weise Angaben zum Tatzeitraum enthalte. 

Alleine die Angabe, dass „über Jahre hinweg“ Beihilfe zur Steuerhinterziehung betrieben wurde, reiche nicht. Auch die Beschreibung der aufzufindenden Beweismittel lasse keinen Schluss auf einen Tatzeitraum zu, da weder der Zeitraum genannt wird, aus dem sie stammen, noch für den sie relevant sind. Gleiches gelte für die Sachverhaltsschilderung, die durch Bezeichnung von Umständen, die den Tatverdacht begründen sollen, nicht erkennen lasse, ab welchem Zeitpunkt die Beschuldigten mit den Beihilfehandlungen begonnen haben sollen. 

Darüber hinaus ist das BVerfG der Auffassung, dass sich auch aus der Angabe, dass der Beschuldigte F. im Jahr 2006 zur Beschwerdeführerin wechselte, keine Beschreibung des Tatzeitraums entnehmen lasse. Eine Begrenzung sei diesbezüglich höchstens für die ihm selbst vorgeworfenen Taten vorhanden, nicht jedoch für die der weiteren sechs Beschuldigten. Ein Anhaltspunkt dafür, dass erst mit dem Wechsel des Beschuldigten F. auch die anderen Beschuldigten mit den vorgeworfenen Handlungen begonnen hätten, sei im Durchsuchungsbeschluss nicht enthalten.

Ferner stellt der Senat fest, dass selbst wenn ein Durchsuchungsbeschluss stets eine immanente Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten enthalte, was er offen lässt, der vorliegende Beschluss nicht die erforderlichen Angaben bezeichne, um diesen nichtverjährten Zeitraum zu bestimmen. Gemäß § 78a Satz 1 StGB beginne die Verjährung mit Beendigung der (Haupt-) Tat. Zur Bestimmung der Verjährung sei daher bei Hinterziehung von Einkommensteuer der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide, in denen die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde, und im Fall der Begehung durch Unterlassen die Angabe, wann die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen waren, erforderlich.

Der Durchsuchungsbeschluss ermögliche nach seinem Wortlaut hingegen die Durchsuchung und Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen der Beschwerdeführerin seit Beginn der Geschäftstätigkeit. Der Rahmen der Durchsuchung war damit nicht hinreichend präzisiert, so dass der Durchsuchungsbeschluss seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht werde. 

 

Hinweise des Fachanwalts / Steuerberaters

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. April 2017 ist zu begrüßen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung setzt damit Grenzen der Durchsuchung aufgrund von Steuer-CDs. Wegen der Entscheidung werden Steuerfahnder, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter nun hoffentlich vorsichtiger sein, Durchsuchungsbeschlüsse „blanko“ zu unterschreiben.

Das Urteil lässt jedoch weiterhin die rechtsstaatlich umstrittenen Fragen hinsichtlich des Umfangs der Verwertbarkeit von Steuer-CDs offen. Wie sich die Rechtsprechung diesbezüglich künftig entwickeln wird, bleibt insbesondere vor dem Hintergrund der kürzlichen Mahnungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die Verwendung der Steuer-CDs nicht unbegrenzt zulässig sei, abzuwarten.

Falls Sie von einem Durchsuchungsbeschluss betroffen sein sollten, raten wir Ihnen, den Durchsuchungsbeschluss umgehend rechtlich zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen, um so nachträglich die Rechtswidrigkeit einer Durchsuchung feststellen zu lassen. Wird die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festgestellt, können die von Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft erlangten Unterlagen und Daten einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wodurch sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens als Beweis nicht herangezogen werden dürften. Schließlich ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch Voraussetzung für die Geltendmachung eines Verwertungsverbots im Besteuerungsverfahrens sowie für die Geltendmachung etwaige Amtshaftungsansprüche.

 

 

 


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