Im Urteilsfall hatte die Klägerin eine negative Summe der Einkünfte und ein negatives zu versteuerndes Einkommen. Allerdings erzielte Sie positive Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese unterlagen teilweise dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 EStG und teilweise dem gesonderten Tarif nach § 32d Abs. 3 EStG.
Sie begehrte die Steuerermäßigung des § 35a EStG (für Aufwendungen von rd. 31.300 Euro; Ermäßigungsanspruch rd. 5.200 Euro) und stellte einen Antrag auf Günstigerprüfung.
Finanzamt und Finanzgericht (FG Hamburg Urteil v. 23.11.2017, 6 K 106/16) waren dieser Auffassung nicht gefolgt. Der BFH wies die Revision nun mit Beschluss v. 28.04.2020, VI R 54/17) zurück und urteilte wie folgt:
Die gemäß § 32d Abs. 3 und 4 EStG veranlagte und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegende Einkommensteuer kann nicht nach § 35a EStG ermäßigt werden.
Als Begründung wurde folgendes aufgeführt:
- Aufwendungen nach § 35a EStG ermäßigen die tarifliche
- Die tarifliche Einkommensteuer sei gemäß § 32a EStG auf das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG – in das Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 5 EStG nicht einzubeziehen sind – zu ermitteln. Dieses war vorliegend nicht positiv.
- Die nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG "veranlagte" und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Einkommensteuer sei nicht (Bestand-)Teil der tariflichen Einkommensteuer. Vielmehr sei diese um die Einkommensteuer auf Kapitalerträge gemäß § 32d EStG zu erhöhen (§ 32d Abs. 3 Satz 2 EStG).
- Die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende, gesondert zu ermittelnde Steuer sei nicht der tariflichen Einkommensteuer zugehörig, sondern lediglich eine Maßgröße für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer.
- In die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif und damit in die tarifliche Einkommensteuer gingen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung ein (§ 32d Abs. 6 EStG). Im vorliegenden Fall war die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif für die Klägerin allerdings nicht günstiger.
- Zudem sei (von der Reihenfolge her) die tarifliche Einkommensteuer zunächst u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und erst dann um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu erhöhen.
Praxistipp: Nach Weiss (EStB 2020, 335) sollte zur Vermeidung des Verlustes von § 35a EStG-Volumen in Jahren ohne tarifliche Einkommensteuer wenn möglich der Abfluss derartiger Aufwendungen (§ 11 EStG) gesteuert werden.