In einem Revisionsverfahren vor dem BFH ging es um die Frage, ob das Finanzamt gegen den Willen des Steuerpflichtigen das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden durfte.
Im Urteilsfall (betreffend einen Erbfall in 2011, Übergang von GmbH-Anteilen) war zunächst ein Anteilswert basierend auf dem vereinfachten Ertragswertverfahren erklärt worden. Die Feststellungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Aufgrund des Todes eines weiteren Gesellschafters vier Jahre später war jedoch in 2015 nachträglich eine Wertermittlung in Anlehnung an IDW S1 eingereicht worden. Dabei wurde insbesondere der Tod dieses Gesellschafters in den Prognoserechnungen wertmindernd berücksichtigt. Nach Auffassung der Kläger führte das vereinfachte Ertragswertverfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen.
Finanzamt und Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2018, 4 K 108/18 F) lehnten die für den Steuerpflichtigen günstigere Bewertung jedoch mit Verweis auf das Stichtagsprinzip ab. In die Ermittlung der Ertragsaussichten der Gesellschaft seien nachträglich eingetretene Ereignisse einbezogen worden waren. Zudem gäbe es Mängel an der Methodik der Wertermittlung. Das zu einem höheren Wert führende vereinfachte Ertragswertverfahren wurde zugrunde gelegt.
Der BFH sah die Revision des Steuerpflichtigen als begründet an und stellte mit Urteil vom 02.12.2020 (Az. II R 5/19) klar:
- Allein der Steuerpflichtige hat das Wahlrecht zur Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens
- Entscheidet sich der Steuerpflichtige gegen das vereinfachte Ertragswertverfahren durch Vorlage eines Gutachtens, kann das vereinfachte Ertragswertverfahren - selbst bei Mängeln beim Gutachten - nicht als Auffangtatbestand zugrunde gelegt werden
- Statt das Gutachten unberücksichtigt zu lassen hat das Finanzgericht im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung (z.B. durch Anordnung der Nachbesserung des Gutachtens oder Anforderung eines neuen Gutachtens) den gemeinen Wert nach diesem Verfahren zu ermitteln
Das Urteil wurde an die Vorinstanz zurück verwiesen.
Hinweis: Der BFH wies im Urteil ohne Rechtsbindung noch darauf hin, dass die im Gutachten infolge des Ausscheidens des Verstorbenen berücksichtigte geringere Ertragskraft der GmbH grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, soweit mit dessen Ausscheiden am Bewertungsstichtag bereits konkret zu rechnen war.