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BVerfG: Steuerliche Berücksichtigung eines volljährigen Kindes mit auswärtiger Unterbringung zu Ausbildungszwecken
Der Mehrbedarf, der für ein zur Ausbildung auswärts untergebrachtes volljähriges Kindes entsteht, wird laut aktueller BFH-Rechtsprechung ausreichend steuerlich berücksichtigt. Hierzu ist jetzt ein Verfahren beim BVerfG anhängig geworden.
Durch das zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001, BGBl 2001 I S. 2074 wurde ab dem Jahr 2002 der frühere Betreuungsfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG i.H.v. 1.512 DM (773 €) in einen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes (kurz: Bedarfsfreibetrag) i.H.v. 2.160 € umgewandelt.
Dieser Freibetrag wird für alle bei der Veranlagung zu berücksichtigende Kinder gewährt, während bis zum Jahr 2001 der Betreuungsfreibetrag nur für Kinder gewährt wurde, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.
Die auf den ersten Blick deutliche Erhöhung der Freibeträge führt durch die vom Gesetzgeber angeordnete Einbeziehung dieser Freibeträge in die Günstigerprüfung nach § 31 EStG (Vergleichsberechnung, ob Kindergeld oder Freibeträge für Sie günstiger sind) in den Fällen von geringen und mittleren Einkommen zu keiner zusätzlichen steuerlichen Entlastung.
Trotz des ab dem Jahr 2002 leicht erhöhten Kindergeldes von 138 € auf 154 € monatlich (bis 31.12.2008; heute 184 €) führte die Neuregelung wegen des gleichzeitig deutlich reduzierten Ausbildungsfreibetrags für viele Betroffene fast unbemerkt unterm Strich zu einer deutlichen Verminderung der Familienförderung. Die früheren Ausbildungsfreibeträge nach § 33a Abs. 2 EStG in Höhe von
1.800 DM (920 €) für Kinder unter 18 Jahre,
2.400 DM (1.227 €) für Kinder in Ausbildung über 18 Jahre bzw.
4.200 DM (2.147 €) für auswärts untergebrachte volljährige Kinder in Ausbildung
wurden nämlich ab dem Jahr 2002 fast völlig gestrichen. Nur noch für die Fälle der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen in Ausbildung befindlichen Kindes wird ab dem 1.1.2002 zur Abgeltung des Sonderbedarfs für die auswärtige Unterbringung ein Freibetrag von 924 € (kurz: Ausbildungsfreibetrag) zusätzlich zu den Freibeträgen für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG gewährt.
Die aktuelle Entscheidung des BFH
Der BFH hat mit Urteil vom 25.11.2010 III R 111/07, BStBl II 2011, 281 entschieden, dass die Frage, ob der Mehrbedarf für ein auswärtig zu Ausbildungszwecken untergebrachtes, volljähriges Kind in ausreichendem Maße steuerlich berücksichtigt wird und nicht isoliert am Maßstab des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG zu prüfen sei. Die Prüfung der Verfassungskonformität sei vielmehr unter Zusammenrechnung der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sowie des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG vorzunehmen.
Nach Auffassung des BFH ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Aufwand, der den Klägern wegen der auswärtigen Unterbringung ihrer Tochter erwachsen ist, weitergehend steuerlich zu entlasten. Die Beschränkung des Abzugs nach § 33a Abs. 2 EStG auf 924 € sei verfassungskonform. Der Sonderbedarf für eine auswärtige Unterbringung nach § 33a Abs. 2 EStG stelle seit 2002 nur noch eine Komponente der steuerlichen Entlastung von Eltern, deren Kinder sich in Ausbildung befinden, dar. Bei Beurteilung der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachten Kindern ausreichend hoch ist, müssten alle Bestandteile des Familienleistungsausgleichs einbezogen werden. Eine isolierte Betrachtung des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG sei nicht zulässig.
Die Verfassungsbeschwerde beim BVerfG
Die Kläger haben offenbar Zweifel an der Entscheidung des BFH und daher Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt. Die Beschwerde wird beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 451/11 geführt.
Die Folgen für bisher ruhende Einsprüche
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sollten bisher ruhende Einsprüche nicht zurückgenommen werden.
Eltern, die aufgrund des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens III R 111/07 wegen Einbeziehen der ab 2002 erhöhten Freibeträge für Kinder in die Günstigerprüfung nach § 31 EStG und der Höhe des Freibetrags bei auswärtiger Unterbringung eines volljährigen in Ausbildung befindlichen Kindes Einspruch gegen ihre Steuerbescheide eingelegt hatten, sollten diese nicht zurücknehmen, sondern auf die vorstehende Verfassungsbeschwerde verweisen.