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Eine tickende steuerliche Zeitbombe bei zahlreichen freiberuflichen Gemeinschaftspraxen / Sozietäten / PartG (und auch bei gewerblichen Personengesellschaften)

1. Das Problem

In zahlreichen Gesellschaftsverträgen von Gemeinschaftspraxen ist geregelt, dass der Gesellschaftsanteil beim Tod eines Gesellschafters von den Erben an die verbleibenden Gesellschafter entgeltlich übertragen werden muss. Anschließend gehen die verbleibenden Gesellschafter häufig hin und veräußern den erworbenen Anteil an einen neuen Kollegen/in weiter. Bei derartigen Fallgestaltungen – die in der Vertragspraxis wohl als Regelfall anzunehmen sind – ergeben sich für die verbleibenden Gesellschafter ertragsteuerlich sehr unerfreuliche Situationen, soweit hier nicht im Vorfeld konkret gestaltet wird.

2. Der konkrete Streitfall

A – B – C haben in der Vergangenheit eine Gemeinschaftspraxis gegründet. Sie sind mit je 1/3 beteiligt. Die Gemeinschaftspraxis ist erfolgreich. Die Gemeinschaftspraxis hat einen Wert von 1,8 Mio. €. C scheidet durch Tod aus der Gemeinschaftspraxis aus. Die Erben des C veräußern den Anteil für jeweils 300.000 € an A und B. A und B finden einen neuen Partner D. D beteiligt sich mit 1/3 an der Gemeinschaftspraxis und zahlt an A und B jeweils 300.000 €. Das Finanzamt möchte bei A und B einen Veräußerungsgewinn versteuern. A und B tragen dagegen vor, dass sie den Anteil gerade von den Erben des C erworben und zum gleichen Preis wieder an D veräußert haben. Hierdurch könne sich somit kein Gewinn ergeben.

3. Die Beurteilung durch das Finanzgericht Nürnberg führt bei A und B zu einem Fiasko, FG Nürnberg v. 26.1.2016 1 K 773/14, Rev. VIII R 12/16, DStRE 2016, 1156

Der Zuerwerb von Anteilen der Gemeinschaftspraxis

Beim Zuerwerb von Anteilen an Gemeinschaftspraxen verschmelzen der alte und neue Anteil an der Gemeinschaftspraxis zu einem Anteil an der Gemeinschaftspraxis.

Die Teilveräußerung eines Anteils an der Gemeinschaftspraxis nach einem Zuerwerb

Die Anschaffungskosten für den Anteil an der Gemeinschaftspraxis müssen aus den durchschnittlichen Anschaffungskosten für den alten und den neuen Anteil an der Gemeinschaftspraxis ermittelt werden.

Ermittlung der anteiligen Anschaffungskosten

Für den Anteil an der ursprünglichen Gemeinschaftspraxis sind A und B keine Anschaffungskosten entstanden, da sie Gründungsgesellschafter sind.

Für den von den Erben erworbenen Anteil an der Gemeinschaftspraxis sind A und B jeweils Anschaffungskosten i.H.v. 300.000 € entstanden.

Die Anschaffungskosten für die jeweils gesamte Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis betragen bei A und B daher nunmehr 300.000 €

Die durchschnittlichen Anschaffungskosten für den veräußerten Anteil von 1/3 betragen daher 100.000 €.

Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns

Veräußerungserlös                                                300.000 €

./. Anteilige Anschaffungskosten                       – 100.000 €

Veräußerungsgewinn                                            200.000 €

Der Veräußerungsgewinn von jeweils 200.000 € ist für A und B ein laufender Gewinn, der in voller Höhe mit der normalen Tarifbelastung versteuert werden muss.

4. Die Gestaltungsüberlegungen – hier muss dringend das Gespräch mit den Mandanten gesucht werden, damit gemeinsam Lösungswege erarbeitet werden können

Der optimale Gestaltungshinweis: Treuhandmodell

Soweit die „überlebenden“ Gesellschafter A und B den potentiellen neuen Kollegen D schon im Zeitpunkt des Ausscheidens des C durch seinen Tod kennen sollten, wäre ein treuhänderischer Erwerb durch sie für den neuen Gesellschafter D möglich. Bei dieser Gestaltung wäre der „erworbene“ Anteil ertragsteuerlich A und B gar nicht erst zuzurechnen, sondern direkt dem neuen Kollegen D. Das ganze Problem des Durchgangserwerbs mit den üblen Veräußerungsfolgen für A und B wäre vermieden.

Der bedingt optimale Gestaltungshinweis: Bareinlage des Hinzutretenden in die Gesamthand

Im gegebenen Sachverhalt (eine Veräußerung direkt von C an D war wohl nicht möglich) sollte D keinen Kaufpreis in das Privatvermögen von A und B leisten, sondern eine Einlage in die Gesamthand der Gemeinschaftspraxis. A und B könnten die Einlage dann später - mit einem zeitlichen Abstand zur Einlage – vereinbarungsgemäß entnehmen.

D würde dann den Anteil der Einlage, der sich nicht auf seinem Kapitalkonto in der Gesamthand widerspiegeln würde = 200.000 €, in einer positiven Ergänzungsbilanz – mit persönlichem Abschreibungspotential = Betriebsausgaben – darstellen.

A und B hätten in Höhe von jeweils 100.000 € eine negative Ergänzungsbilanz zu bilden, die bei ihnen zu einem entsprechenden Ertrag führen würde. Der Ertrag könnte in diesem Fall jedoch auf einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren verteilt werden, so dass der steuerliche Schmerz abgemildert werden könnte.

Der m.E. gefährliche Gestaltungshinweis: Separate Behandlung der angewachsenen Anteile

Diese Überlegung beruht auf dem Gedanken, dass die Gesellschafter der Gesellschaft (inklusive des verstorbenen Gesellschafters) immer den Willen hatten, dass ein verstorbener Gesellschafter „ersetzt“ werden soll / muss. Das Finanzgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Überlegung kein Sonderrechtsverhältnis begründen kann und hat daher dennoch durchschnittliche Anschaffungskosten angenommen. Diesem Gestaltungsgedanken sollte daher in der Praxis keine große Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Der m.E. gefährliche Gestaltungshinweis: Rückwirkende Vereinbarungen innerhalb von 6 Monaten

Nach dem Gesellschaftsvertrag müssen die Erben den Anteil an der Gemeinschaftspraxis an die „überlebenden Gesellschafter“ veräußern.

Fraglich ist, ob es – zur Vermeidung des o.a. Ergebnisses – möglich ist, dass der Gesellschaftsvertrag rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls geändert werden kann und die Erben den Anteil des Verstorbenen somit direkt an den Neugesellschafter D veräußern könnten. Hierdurch würde der Zwischenerwerb und die entsprechende Veräußerung durch die verbliebenen Altgesellschafter vermieden werden.

Das Bundesfinanzministerium lässt es mit seinem Schreiben v. 5.12.2002, BStBl 2002 I, 1392, RZ 8 und 9 zu, dass die Erben mit einem Miterben (hier evtl. auch mit einem Neugesellschafter?) innerhalb eines 6-Monats-Zeitraums eine rückwirkende Vereinbarung auf den Todeszeitpunkt treffen können. Voraussetzung für eine Anwendung dieser rückwirkenden Regelung ist jedoch eine verbindliche Vereinbarung innerhalb dieser Frist. Diese Regelung des Bundesfinanzministeriums betrifft jedoch seinem Wortlaut nach ausschließlich Vereinbarungen unter Miterben. Ob diese Regelung auch bei der Veräußerung an Dritte anzuwenden ist, lässt das Finanzgericht dahinstehen. Diese Frage ist somit bisher ungeklärt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof hierzu positioniert. Als Gestaltung bietet sich diese Variante daher zur Zeit nicht an.

5. Wie geht es wohl weiter?

Es wird spannend sein, wie sich der Bundesfinanzhof zu diesen Fragen positionieren wird. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten in der Praxis jedoch kurzfristig unbedingt die vorstehend aufgezeigten Lösungen unter den Gesellschaftern gefunden werden, die das o.a. katastrophale Ergebnis verhindern.

6. Der Abgrenzungsfall: Das MVZ in der Rechtsform einer GmbH

Beim Hinzuwerb von GmbH-Anteilen bleiben der alte und der neue GmbH-Anteil als 2 rechtlich selbständige Geschäftsanteile bestehen. Der Gesellschafter kann hier selbst wählen, ob er den alten oder den neuen GmbH-Anteil veräußert. Durch die Veräußerung des gerade erworbenen Anteils würde sich somit keine Gewinnrealisierung ergeben. Im notariellen Vertrag muss der veräußerte Anteil – unter Bezugnahme auf den Erwerbsvertrag – jedoch konkret benannt werden.

Problematisch ist hier jedoch sicherlich die Erwerberseite. Der Erwerber erwirbt eine GmbH-Beteiligung, ohne eine Möglichkeit, die Anschaffungskosten in Form von Abschreibungen steuernmindernd geltend machen zu können.


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