Viele Steuerberater kennen das Problem: Als Berater bekommt man von manchen Mandanten nicht fristgerecht alle Informationen für die Abgabe von USt-Voranmeldungen (UStVA). Und dies wiederholt sich öfters.
Hier muss sich der Berater entscheiden: Soll er für diese Mandanten besser eine UStVA mit geschätzten Werten fristgerecht abgeben als gar keine?
Das Risiko liegt auf der Hand: Wenn er schuldhaft die Umsätze zu gering schätzt, können sich für ihn straf- oder bußgeldrechtliche Sanktionen ergeben.
Aktuell hatte sich das Landgericht Leipzig in einem Steuerstrafverfahren gegen einen Steuerberater mit diesem Thema auseinanderzusetzen (Urteil v. 16.10.2017 - 15 Ns 202 Js 49069/15).
Für den praktischen Beratungsalltag ergeben sich aus dieser Rechtsprechung wichtige Risikohinweise:
Risiko straf- oder bußgeldrechtlicher Sanktionen bei falscher Schätzung
Dieses Risiko besteht besonders dann, wenn die schuldhaft zu niedrige Schätzung mehrfach erfolgt und ein einmaliges Versehen dann nicht begründbar ist. Wegen der Regelmäßigkeit ist das Voranmeldungsverfahren eine besondere Gefahrenquelle.
Der Fall des LG Leipzig (15 Ns 202 Js 49069/15)
Ein Steuerberater hatte für seinen Mandanten USt-Voranmeldungen ohne hinreichende Tatsachengrundlage abgegeben. Er hatte lediglich einmal zu Mandatsbeginn aufgrund der Angaben des Vorberaters einen zu niedrigen Schätzwert übernommen und diesen in der Folgezeit nicht mehr hinterfragt. So kam es aufsummiert durch mehrere falsche Voranmeldungen zu einem Schaden bei der USt in Höhe von fast 100.000 Euro. Während das Amtsgericht den Steuerberater wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt hatte, verneinte das LG Leipzig seinen Vorsatz. Jedoch war der Steuerberater damit nicht aus dem Schneider. Denn das Gericht bewertete sein Verhalten als leichtfertig und setzte gegen ihn eine Geldbuße wegen Steuerverkürzung in Höhe von 25.000 Euro fest (§ 378 AO).
Einschränkung der Strafbarkeit bei berufstypischen Handlungen
Im Normalfall ist die Abgabe der UStVA als eine berufstypische Handlung eines Steuerberaters zu werten. Damit gelten nach der BGH-Rechtsprechung zwecks Einschränkung der Strafbarkeit erhöhte Anforderungen an den Vorsatz (BGH, Beschluss v. 21.12.2016 - 1 StR 112/16).
Das LG Leipzig wandte diese Rechtsprechung zugunsten des Steuerberaters an. Es ging folgerichtig davon aus, dass dem Berater nicht deutlich genug bewusst war, dass es zu einer Steuerverkürzung kam. Da der Strafrichter bei Verneinung des Vorsatzes immer noch hilfsweise den Vorwurf der Leichtfertigkeit prüfen muss (§ 378 AO), musste sich das LG Leipzig auch hierzu äußern. Es bejaht hier die Leichtfertigkeit, also einen gesteigerten Grad der Fahrlässigkeit. Für S hätte sich aufdrängen müssen, bei seiner Mandantin nachzufragen, wie die Schätzungen bzw. Angaben des Vorberaters zustande gekommen waren. Dies habe er leichtfertig unterlassen.
Steuerberatern drohen berufsrechtliche Folgen
Im Einzelfall können sich zudem weitere belastende Folgen ergeben. Das Finanzamt darf die Berufskammer über berufsrechtliche Pflichtverletzungen zu informieren, wenn für diese ein durch Tatsachen begründeter Verdacht besteht (§ 10 StBerG).
Wird gegen einen Berufsträger Anklage erhoben, wird die Berufskammer schon aus diesem Grunde informiert (Nr. 23, 24 der Verwaltungsvorschrift betreffend die Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen – kurz MiStra). Insbesondere in diesen Fällen besteht eine reale Gefahr für eine erhebliche berufsrechtliche Sanktion gegen den betroffenen Steuerberater (§ 90 StBerG).
Weitere aktuelle Praxishinweise zu diesem Thema gibt Rechtsanwalt Dirk Beyer von LHP aus Köln in seinem Beitrag in NWB 2018, S. 585.